Archive for the 'Reisetagebuch' Category

Juli 14 2008

Müde von einer langen Reise

Published by under Reisetagebuch

Müde vom Reisen? Viele können es sich nicht vorstellen, dass man nach sechs Monaten Urlaub müde sein kann. Es ist jedoch genau das Gefühl, das wir jetzt verspüren. Wir sind nicht nur körperlich geschafft, sondern auch geistig. Wir sind nicht mehr fähig, neue Eindrücke mit Begeisterung und Leidenschaft in uns aufzunehmen. Die körperliche Müdigkeit haben wir mit ein paar Tagen am Strand von uns abgeschüttelt. Die geistige Müdigkeit jedoch wird uns wahrscheinlich erst in den nächsten Wochen wieder verlassen.

Vielleicht haben wir den Fehler gemacht, dass wir in sechs Monaten zu viel sehen wollten. Eigentlich hatten wir vor, mit Ruhe zu reisen, an den Orten, die uns besonders gefallen, ein wenig länger zu verweilen. Doch bereits nach kurzer Zeit befiel uns eine Unrast, die uns bis zum Schluss nicht mehr losließ. Unser Reiseplan wurde nach Gesprächen mit anderen Reisenden und nach dem Studieren des Reiseführers immer länger. Bereits nach einem Monat erkannten wir, dass ein halbes Jahr eigentlich zu kurz ist, um einen gesamten Kontinent zu bereisen. Trotz unseres straffen Reiseplans fehlte uns am Ende deshalb die Zeit, Peru in Ruhe zu erkunden. Auch für einen Abstecher nach Ecuador blieb keine Zeit mehr. Wir haben nicht alles gesehen, was wir wollten.

Trotzdem glauben wir, dass wir es richtig gemacht haben. Wir sprachen viel mit anderen Langzeitreisenden über den idealen Zeitraum einer längeren Reise. Viele, die bereits seit über einem Jahr unterwegs sind, berichteten von dieser inneren Müdigkeit, neue Dinge aufzunehmen. Sie meinten, dass wohl sechs Monate der ideale Zeitraum wäre. Auch wir sind trotz der Traurigkeit über das Ende unseres großen Abenteuers jetzt erst einmal gesättigt von den vielen wunderbaren Eindrücken. Wir werden diese Erlebnisse nach unserer Rückkehr in den Alltag in Ruhe verinnerlichen. Wir sind uns sicher, dass wir zu Hause beim Betrachten der Fotos noch viel intensiver realisieren werden wie wunderbar und vielfältig unsere Welt doch ist.

No responses yet

Juli 07 2008

Jericoacoara – ein Paradies für müde Großstädter

Published by under Reisetagebuch

Sonnenunterngang JericoacoaraDer warme Wind streichelt sanft meine Haut. Unter meinen Füßen spüre ich den weichen warmen Sand. Ich stehe auf der Düne des Sonnenuntergangs – auf Portugiesisch „Duna do por do sol“ – und sehe am Horizont die Sonne, die als feuerrote Scheibe langsam im Meer versinkt. Im ihrem Licht sieht die Landschaft aus Dünen, Strand und Meer aus wie ein Bild des Impressionismus. Die Schönheit dieses Anblicks erscheint unwirklich. Ich fühle mich wie in einem Traum und vergesse für kurze Zeit meine mit Angst erwartete Rückkehr in den Alltag.

Ich schaue mich um. Neben mir sehe ich weitere Touristen und die Bewohner von Jericoacoara, die ehrfürchtig die untergehende Sonne betrachten. Es ist ein Ritual in Jericoacoara, dass man sich jeden Abend kurz vor 18.00 Uhr auf der Duna de por do sol versammelt, um gemeinsam die Sonne zu verabschieden und die letzten Stunden des Tages zu genießen. Jericoacoara ist ein kleiner Ort in der Provinz Ceara an der Küste von Nordostbrasilien. Es soll, so heißt es, der schönste Strand von Brasilien sein, wenn nicht der ganzen Welt.

Viele, die hierherkamen, sind geblieben. Sie haben sich vom Zauber der Landschaft und von der heiteren und sorgenfreien Lebensart verführen lassen. Die Dorfgemeinschaft ist daher eine bunte Mischung aus Einheimischen, die sich hauptsächlich als Fischer ihr Brot verdienen, und ehemaligen Gästen aus aller Welt, die vor allem vom Tourismus leben. Claudia, eine Brasilianerin aus Sao Luis, berichtet mir, dass sie nach einem laengeren Aufenthalt in Jericoacoara, versucht habe, in ihrer Heimatstadt ein „normales“ Leben mit geregeltem Job und Einkommen zu führen. Zwei Jahre hielt sie es aus, dann sei sie wieder nach Jericoacoara zurückgekommen und verdiene sich jetzt ihr Geld in der Rezeption einer Pousada. Sie erzählt mir, dass sie nur hier diese unbekümmerte Lebensart vorfinde. Man verdient sein Geld, um zu leben – man lebt nicht, um zu arbeiten. Auch wenn es nicht viel sei, würde es ausreichen, um gut und vor allem stressfrei zu leben.

Auch ich versuche in der Woche, die ich in Jericoacoara verbringe, Ruhe und Entspannung zu finden. Es wird einem hier wirklich leicht gemacht, den Alltag für kurze Zeit zu vergessen. Selbst der gestressteste Großstädter wird nach dem Anblick des Sonnenuntergangs am ersten Abend in eine andere Welt eintauchen. Ich gönne mir eine Massage, die von meiner Pousada für die überarbeiteten Seelen aus der Großstadt angeboten wird. Irene, meine Masseurin, ist Italienerin. Auch sie ist vor einem Jahr hier als Gast hergekommen und ist geblieben. Ich frage sie, ob sie nicht wieder zurück nach Italien wolle. Sie meint, dass sie es sich im Moment nicht vorstellen könne, Jericoacoara zu verlassen. Auch sie hat sich wie Claudia von der Magie des kleinen Küstenortes verzaubern lassen. An meinem letzten Abend steige ich erneut auf die Duna do por do sol, um ein letztes Mal den Zauber der untergehenden Sonne in mich aufzunehmen. Ich verspüre ein Gefühl des Glücks und der Freiheit. Am liebsten würde ich den Augenblick festhalten. Gedanken über eine mögliche Zukunft in Jericoacoara kommen mir in den Kopf. Vielleicht auch eine Pousada eröffnen? Am nächsten Tag steige ich jedoch wie geplant in den Bus nach Fortaleza. Ich bin nicht geblieben. Ich werde wieder in meinen Alltag zurückkehren. Die Worte der Rezeptionistin werde ich jedoch im Herzen behalten: Volta sempre (Komme immer wieder zurück).

No responses yet

Mai 13 2008

Eine Fahrt durch Nordargentinien – Regenwald, Berge und Kakteen

Published by under Natur,Reisetagebuch

In Tucuman, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Nordwesten Argentiniens, klettern wir in den Bus nach Cafayate. Viereinhalb Stunden soll die Fahrt dauern, bis wir unseren Zielort erreichen. Cafayate befindet sich etwa 200 Kilometer nördlich von Tucuman. Es ist ein Weinort, der in einer Höhe von 1.800 Metern in den Anden von Nordargentinien liegt. Wir haben vor, dort einige Bodegas zu besuchen und Weine zu probieren.

Langsam setzt sich unser Bus in Bewegung. Es dauert nicht lange, bis wir die lebhaften bunten Straßen Tucumans hinter uns gelassen haben. Wir passieren weite Felder mit Zuckerrohr, die gelegentlich von Orangenplantagen unterbrochen werden. Hier, wo ein warmes und sonniges Klima herrscht, werden vor allem Zuckerrohr, Zitrusfrüchte und Tabak angebaut.

Nach einiger Zeit steigt die Straße langsam an, die Vegetation ändert sich. Schon bald befinden wir uns in einem tropischen Regenwald, der die Hänge der Berge bedeckt. Die Straße wird immer steiler und der Motor unseres Busses stetig lauter. Langsam quält sich unser Gefährt die steilen Serpentinen hinauf. Eine Stunde kutschiert es uns durch die mit Regenwald bedeckten Berglandschaften.

Dann wird die Pflanzenwelt langsam karger. Wir erreichen schließlich die Baumgrenze. Die Gegend erinnert nun stark an die Berglandschaft der Alpen oberhalb von 2.000 Metern Höhe. Nach rund einer halben Stunde Fahrt wandelt sie sich erneut. Die Graslandschaft wird abgelöst von Felsformationen sowie trockenen Geröll- und Sandwüsten. Ich muss an eine Mondlandschaft denken und frage mich, ob hier überhaupt irgendeine Pflanze wachsen kann. In der Ferne sehe ich plötzlich Figuren, die aussehen wie nach oben gestreckte Finger. Als wir näher kommen, sehe ich, dass es riesige Kakteen sind. Einige haben nur einen Trieb, der ganz gerade nach oben zeigt. Es sieht aus wie ein Phallussymbol. Andere haben mehrere Triebe – wie die bekannten Kakteen aus Mexiko. Es sind sogenannte Cardones, die Riesenkakteen der Anden. Es dauert 20 Jahre bis sie einen zweiten Trieb ausbilden. Somit sind die vielen Phallussymbole recht junge Kakteen, die das zwanzigste Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Jens und ich schauen uns begeistert an. Die karge Wüstengegend mit ihren Kakteen übt einen ganz besonderen Reiz auf uns aus, denn solch eine Landschaft haben wir vorher noch nie gesehen.

Nach weiteren zwei Stunden Fahrt erreichen wir schließlich den Weinort Cafayate. Er liegt mitten in dieser trockenen Umgebung. Die Vorstellung, dass hier Weine angebaut werden, fasziniert uns. Mit Spannung erwarten wir unsere erste Weinprobe in einer der Bodegas von Cafayate.

2 responses so far

Mai 13 2008

Einmal Brasilien und zurück nach Uruguay – oder wie man es schafft, an einem Tag neun Mal die Grenze zu überqueren

„Rivera Central de Omnibus“ … leise vernehme ich die Stimme des Busgehilfen, als wir in die Busstation von Rivera einbiegen. Er verkündet unser Reiseziel. Rivera ist eine Stadt in Uruguay. Sie befindet sich an der Grenze zu Brasilien. Die brasilianische Schwesterstadt heißt Santana do Livramento. Beide Ortschaften grenzen nicht nur direkt aneinander, die Grenze verläuft sogar mitten durch einen zentralen Platz, den sich beide Städte teilen. Die Bewohner Uruguays und Brasiliens überqueren täglich mehrmals diese Stadtgrenze. Es gibt hier keine Passkontrolle. Nur diejenigen, die vorhaben, länger nach Brasilien oder Uruguay zu gehen, müssen sich auf den Ämtern ihre Stempel abholen.

Da wir mit einem Reisepass reisen, müssen wir uns einen Ausreisestempel von Uruguay und einen Einreisestempel von Brasilien besorgen. Und wie praktisch hier doch alles organisiert ist: Der Reisende muss sich für den Ausreisestempel an das andere Ende von Rivera begeben und für den Einreisestempel nach Brasilien an das Stadtende von Santana do Livramento. Der schwere Rucksack drückt und meine Schultern schmerzen, als ich endlich nach einer langen Jagd durch Urugays und Brasiliens Ämter die beiden Stempel in meinem Reisepass vorfinde.

Wir haben vor, den Nachtbus nach Porto Alegre in Südbrasilien zu nehmen. Den Rest des Tages wollen wir im brasilianischen Stadtteil Santana do Livramento verbringen. Wir schlendern bis zum frühen Abend durch die Straßen dieser Stadt. Als wir an dem Platz, durch den die Grenze verläuft, ankommen, entscheiden wir uns spontan, doch noch einmal kurz ins Nachbarland zu gehen. Wir haben noch ein paar uruguayische Pesos übrig und möchten uns dort ein Bierchen gönnen. Langsam überqueren wir den Platz, und schon nach wenigen Metern befinden wir uns wieder in Uruguay. Die Schilder sind wieder auf Spanisch, man bezahlt wieder mit der hiesigen Landeswährung.

Diese Stadt ist wirklich verrückt, denke ich als wir die Hauptstraße von Rivera entlanggehen. Ein älteres Gebäude zu meiner rechten Seite erweckt meine Aufmerksamkeit. Ich bleibe stehen und schaue durch ein großes Portal. Am Ende eines langen Korridors sehe ich Billardtische und einige ältere Herren. Was das wohl für ein Ort sein mag, frage ich mich und schaue auf das matt glänzende goldene Schild neben dem Eingang. „Club Social de Uruguay“ steht dort in großen Buchstaben geschrieben. Hier wollen wir unser Bierchen genießen. Der Raum am Ende des langen Flures ist spärlich eingerichtet. In der Mitte stehen drei Billardtische. Auf der linken Seite befindet sich eine Bar. Neben den Spieltischen stehen ein paar alte Sessel, auf denen es sich einige Herren bequem gemacht haben. An zwei der Billardtische spielen zwei Männer alleine. Es ist nicht das Billard, das ich kenne. Anstatt der vielen bunten befinden sich jeweils nur drei Kugeln auf dem Tisch. Zudem hat der Tisch keine Löcher an den vier Ecken. In seiner Mitte stehen dafür vier kleine weiße Kegel, die mich an die Figuren aus „Mensch ärgere Dich nicht“ erinnern. Wir bestellen unser Bier und schauen interessiert den Spielern zu.

Es dauert nicht lange, bis uns ein freundlicher älterer Herr über das Spiel aufklärt: Es handele sich hier um eine besondere Variante des Poolspiels. Sie wird ihm zufolge in Europa vor allem in Italien gespielt. Im Club Social de Uruguay habe man schon immer diese Art des Pools gespielt, und gelegentlich gebe es Turniere mit der brasilianischen Nachbarstadt Santana. Leider interessieren sich aber kaum jungen Leute für die Aktivitäten des Clubs, beklagt er sich. Somit gebe es in der Zwischenzeit nur noch Herren älteren Jahrgangs, die sich hier auf diese Weise ihre Zeit vertreiben.

Wir erzählen ihm von unserer Reise, dass uns Uruguay sehr gefallen habe, dass wir jetzt jedoch weiter nach Südbrasilien gehen. Ich erwähne, dass ich eigentlich gerne eine Estancia in Uruguay besucht hätte, da für mich Uruguay einfach das Land der Gauchos und der Pferde sei. Daraufhin empfiehlt er uns, doch mit Jose zu sprechen. Er stehe dort drüben neben dem Billardtisch, und er sei nicht nur Besitzer einer Estancia, sondern obendrein auch passionierter Pferdezüchter.

Schon nach wenigen Minuten sind wir mit Jose im Gespräch. Er lädt uns ein, am nächsten Morgen mit ihm auf seine Estancia, die 60 Kilometer südlich liegt, zu fahren. Ich denke an unsere bereits gekaufte Fahrkarte für den Nachtbus um 23.00 Uhr, denke an unseren uruguayischen Ausreisestempel, schaue auf die Uhr – es ist 21.30 Uhr. Ich schaue Jens an, wir sind uns einig, dass wir alles versuchen werden, unser Busticket gegen ein Ticket am nächsten Tag zu verschieben. Und einen Vormittag ohne Einreisestempel in Uruguay wird schon niemand bemerken. Wir vereinbaren mit Jose, dass wir in einer halben Stunde zurück sind. Mit schnellen Schritten überqueren wir erneut die Grenze und eilen zur Busstation in Brasilien. Endlich einmal ist das Glück auf unserer Seite. Innerhalb von 20 Minuten schaffen wir es, unser Ticket zu tauschen und ein Hotel für die Nacht zu besorgen. Wieder überqueren wir die Grenze, um Jose im Club Social mitzuteilen, dass wir mit ihm am nächsten Morgen auf die Estancia fahren werden. Kurze Zeit später kehren wir zum Abendessen und Übernachten wieder nach Brasilien zurück. Der zentrale Platz ist für uns bereits ein vertrauter Anblick.

Früh am nächsten Morgen eilen wir wieder nach Uruguay, wo Jose vor den Club Social bereits auf uns wartet. Wir verbringen einen wunderschönen Vormittag mit ihm auf der Estancia. Auf der Fahrt dorthin werden wir glücklicherweise nicht von der Polizei kontrolliert. Auch die Rückfahrt verläuft problemlos. Jose bringt uns wieder direkt nach Brasilien an die Busstation. Wieder geht es über den zentralen Platz – dieses Mal im Auto. Ich muss schmunzeln, als ich daran denke, dass wir es geschafft haben, in 24 Stunden neun Mal die Grenze zwischen Uruguay und Brasilien zu überqueren.

No responses yet

März 16 2008

Lebenszeichen aus der Einsamkeit – Carreterra Austral in Chile

Published by under Reisetagebuch

Ja es stimmt, schon viel zu lange haben wir uns nicht mehr gemeldet. Wir haben die letzten zwei Wochen in einer der einsamsten Gegenden der Erde verbracht. Wir haben auf der Carreterra Austral in Chile, der südlichen Straße, unsere Spuren hinterlassen.

Die Carreterra Austral, eine Schotterpiste, wurde Anfang der 80er Jahre gebaut. Ihr letztes Teilstück bis nach Villa O¨Higgins wurde erst 1999 fertig gestellt. Sie verbindet kleine Dörfer, in denen die sich im vorletzten Jahrhundert angesiedelten Kolonisten leben. Lange Zeit waren diese Ortschaften völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Es dauerte früher mehrere Wochen bis man per Pferd in das nächste Dorf gelangte. Die Menschen, die in diesen Dörfern wohnen, lernten im Laufe der Zeit autark zu leben. Sie ernährten sich vor allem von Rind- und Schaffleisch sowie Brot. Gemüse und Früchte gab es nur im Sommer. Auch heute noch leben diese Menschen in einfachen Verhältnissen. Auffällig ist, dass es wenig soziale Unterschiede gibt. Die Häuser sind alle gleich groß, alle leben den gleichen Lebensstandard.

Wir haben zwei phantastische Wochen in diesen Dörfern verbracht. Die Menschen sind sehr freundlich, wenn auch manchmal etwas wortkarg. Und die Landschaft und der Sternenhimmel sind einfach unbeschreiblich. Ich habe die Ruhe so sehr genossen, dass ich jetzt den Lärm der Autos kaum mehr ertragen kann. In dieser Einsamkeit kann man viel nachdenken, hat Zeit für ein Gespräch, für ein Buch, für einen Sonnenaufgang. Die Sinne öffnen sich wieder für die einfachen Dinge im Leben.

Ich muss auch zugeben, dass ich es sehr genossen habe, mal keinen Computer zu haben. Ab jetzt sind wir wieder in der Zivilisation, in der hektischen Welt des Konsums, des Straßenverkehrs, der Computer, der Mobiltelefone und des Lärms. Es ist schwer, sich wieder daran zu gewöhnen. Aber ab jetzt kommen wieder regelmäßig Artikel und Bilder rein – versprochen.

One response so far

März 16 2008

Rotalgenpest – eine Gefahr für Muschelliebhaber

Published by under Reisetagebuch

rotalgenpest.JPGWir wandern auf dem schönen Küstenweg im Nationalpark von Feuerland. Immer wieder gelangen wir an einsame Buchten mit Kiesstränden. Riesige rotbraune Felsen säumen die Buchten. Es ist Ebbe, das Wasser hat sich zurückgezogen und gibt die Geheimnisse des Meeres preis. Die Felsen sind übersäht mit Miesmuscheln. Schwarze Schalen stehen aneinandergereiht auf dem Felsen.

Jens zieht sein Taschenmesser, murmelt etwas von „früher in Achieta habe ich mit dem Meer gelebt“. Ich kann gar nicht so schnell aufschauen, da hat er bereits mit dem Taschenmesser eine Muschel vom Fels gelöst. Ich sehe die Klinge blitzen, sie trennt die beiden Muschelhälften. Jens Mund nähert sich dem schleimigen orange-braun schimmernden Muschelfleisch. Ich höre ein schlürfendes Geräusch. Jens schaut mich triumphierend an und meint zufrieden: „Fast wie früher in Anchieta“. Ich schaue entsetzt in sein Gesicht, denke an meine Muschelvergiftung auf Sizilien. Ich kann einfach nicht glauben, dass er gerade eine rohe Muschel verzehrt hat. Ich kläre ihn auf über die Gefahren von Miesmuscheln, über die Möglichkeit, dass er eine schlechte, verdorbene erwischt hat. Ich glaube, er nimmt mich nicht ernst, denn zehn Minuten später meint er schmunzelnd: „Mir wird ganz komisch“. Ich schreie ihn an, sage ihm dass damit nicht zu spaßen sei.

Ein paar Tage spaeter sind wir in Punta Arenas an der Magellanstraße in Südchile. Wir wollen auf der Isla Magdalena eine Pinguinkolonie besuchen (wir berichteten). Die Motoren des Bootes, mit dem wir zur Pinguininsel fahren, heulen laut vor sich hin. Luis unser Führer erzählt uns seit zwei Stunden von Flora und Fauna der Küsten von Patagonien. Ich höre das Wort Rotalgenpest und vernehme, dass im Moment an der Küste von Punta Arenas keine Muscheln und Meeresfrüchte gefangen werden dürfen. Als wir am Bootssteg anlegen, deutet uns Luis an, dass wir ihm folgen sollen. Er geht hinunter zum Strand, der von braunen Felsen eingerahmt ist. Wie in Feuerland sind die Felsen auch hier mit dichten Teppichen aus schwarzen Miesmuscheln bedeckt. Plötzlich zieht Luis sein Messer aus der Tasche. Er schneidet eine Muschel vom Felsen. Die silbergraue Klinge blinkt im Licht der Mittagssonne. Luis öffnet langsam die Muschel und holt das Muschelfleisch heraus. Mir ist als hätte ich „Déjà-vu“. Will Luis uns jetzt zeigen, wie man rohe Muscheln isst? Ich schaue zu Jens. Er ist gerade dabei sein Taschenmesser aus der Tasche zu ziehen. Er möchte es Luis nachtun, ihm zeigen, dass auch er immer auf diese Weise Muscheln isst. „Wenn Du das jetzt isst, bist Du in 30 Minuten tot“ meint Luis und zeigt auf das Muschelfleisch. Jens und ich schauen uns entsetzt an. Jens’ Hand wandert von der Tasche entsetzt ins Gesicht. Was wäre nur geschehen, wenn auch in Feuerland eine Rotalgenpest gewesen wäre? Luis erklärt, dass die Rotalge selbst nicht giftig ist, jedoch den Stoffwechsel der Meeresfrüchte veranlasst, ein für den Menschen hochtoxisches Nervengift zu produzieren. Zu Beginn merkt man ein taubes Gefühl an der Zungenspitze, dann tritt eine Gesichtslähmung auf, schließlich stirbt man an einer Atemlähmung.

Man sieht es der Muschel nicht an, ob sie von der Rotalge befallen ist. Der Staat untersucht deshalb alle Meeresfrüchte vor dem Verkauf auf das Toxin der Rotalge. Luis meint jedoch, dass es immer wieder Fischer gebe, die trotz Fangverbote Meeresfrüchte fischen und dann über illegale Verkaufswege versuchen, diese zu verkaufen. Seriöse Fischhändler und Restaurants seien jedoch sicher. Jens stimmt mir zu, dass es vielleicht doch besser ist, nicht alles zu verzehren, was man auf Reisewegen antrifft. Wir sind beide erleichtert, dass die Muschel auf Feuerland keinen Rotalgenbefall aufwies. Und ich bin froh, dass mir Muscheln überhaupt nicht schmecken.

One response so far

März 15 2008

Punta Arenas – die Stadt der Handels- und der Schafsbarone

Published by under Reisetagebuch

puenta-arenas.JPGEs herrscht ein geschäftiges Treiben in den Straßen von Punta Arenas, einer Stadt in Südchile. Sie liegt direkt an der Magellanstrasse, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Neben den an ihrer Treckingkleidung gut erkennbaren Touristen bevölkern Bank- und Verwaltungsangestellte in Anzügen sowie Frauen mit Kindern die Innenstadt. Es ist 17.00 Uhr als wir ankommen. Sofort spürt man im Gegensatz zu Ushuaia in Argentinien, dass hier die Menschen nicht nur vom Tourismus leben. Punta Arenas ist eine Stadt, die Zeit hatte sich zu entfalten, eine eigene Infrastruktur aufzubauen, ein eigenes Gesicht zu entwickeln. Vor dem Bau des Panamakanals war Punta Arenas ein wichtiger Handelshafen. Alle Waren, die zwischen dem Atlantik und dem Pazifik hin- und hertransportiert wurden, passierten Punta Arenas. Noch heute zeugen die Villen, die den Hauptplatz umsäumen, vom ehemaligen Reichtum der Stadt.

Die wohlhabendste und einflussreichste Familie der Stadt war die Familie Jose-Menendez Braun. Jose Menendez, ein Spanier, gründete mit dem Russen Elias Braun ein Handelsunternehmen in Punta Arenas. Die Tochter von Elias Braun heiratete später Jose Nogeira – einen Portugiesen, der es mit dem Verkauf von Seehundfellen und Leder zu einem bedeutenden Vermögen gebracht hatte. Durch diese Ehe entstand ein Handelsimperium in Patagonien, das der Familie ein riesiges Vermögen einbrachte. Die Nachkommen der Familie Menendez-Braun sind heute noch die Eigentümer der größten und bedeutendsten Estancias in Patagonien und Feuerland. Heute offerieren sie reichen Touristen luxuriöse Estancia-Aufenthalte.

Wir schlendern durch den städtischen Friedhof von Punta Arenas. Riesige Mausoleen bestätigen erneut den Wohlstand der Einwohner. Auf vielen Grabsteinen stehen kroatische Namen. Denn die Stadt war ein bevorzugtes Ziel für Einwanderer aus Kroatien. Auch heute noch gibt es ein kroatisches Viertel, das mir mit seinen im europäischen Stil eingerichteten Cafés ein Gefühl der Vertrautheit gibt. Endlich kann ich mal wieder einen Cappuccino trinken – in Chile bekommt man sonst nur löslichen Kaffee. Auch die köstlichen Kuchen lassen heimatliche Gefühle in mir aufkommen.

Es ist noch früh am Morgen als wir zu einer Bootsfahrt zur Isla Magdalena in der Magellanstraße aufbrechen. Wir wollen eine riesige Kolonie von Magellan-Pinguinen besuchen. 170.000 dieser Seevögel kommen jedes Jahr hierher. Sie ziehen hier ihre Jungen auf. Schon von weitem sehen wir zahlreiche kleine schwarz-weiße Punkte. Und je näher wir kommen, umso lauter wird es. Ich komme mir vor wie in einem riesigen Fußballstadium, so gewaltig ist die Geräuschkulisse, die die Tiere mit ihren Schreien erzeugen. Das Boot legt an einem Steg an, und wir treten ein in das Reich der Pinguine. Es gibt einen kleinen Pfad hinauf zum Leuchtturm. Er führt mitten durch die Pinguinkolonie. Doch die Vögel beachten uns kaum. Wie seriös sehen sie aus in ihrem schwarz-weißen Frack. Magellan-Pinguine haben im Gegensatz zu den Königspinguinen der Antarktis keine orangefarbenen Streifen am Kopf. Sie sind zudem etwas kleiner. Der Grund: Größere Volumina kühlen langsamer aus als kleinere. Daher sind die Pinguine der Antarktis am größten, und je näher man dem Äquator kommt, umso kleiner werden sie. Pinguin-Paare bleiben sich ein Leben lang treu. Wie schön, dass es noch glückliche Paare fürs Leben gibt! Vielleicht werde ich im nächsten Leben ein Pinguin?

Ich beobachte neugierig das Familienleben der befrackten Gesellen. Jedes Paar hat ein oder zwei Junge. Die Jungtiere haben noch keinen Frack. Sie tragen einen hellgrauen Flaummantel und sind bereits so groß wie ihre Eltern. In einem Monat werden sie die Insel verlassen. Links von mir schnäbelt ein Pärchen zärtlich miteinander. Rechts zupft eine Mutter liebevoll am Flaum ihres Kindes. Weiter vorne steht ein Vater, der den Hals streckt und laute Schreie von sich gibt. Und ein paar Schritte weiter sehe ich ein Pärchen beim Liebesspiel. Am Strand hat sich eine Gruppe von Jungtieren zusammengefunden, die bereits erste Ausflüge alleine unternehmen. Ein erwachsenes Tier scheint ihr Aufseher zu sein. Immer wieder zwingt es die Jungen mit ein paar Schnabelhieben zur Ordnung. Irgendwie machen die Pinguine schon einen sehr menschlichen Eindruck auf mich. Häufig muss ich stehenbleiben, um einen Pinguin den Pfad passieren zu lassen- sie haben hier einfach Vorfahrt. Ihr Gang wirkt tollpatschig. Ich muss schmunzeln. Es ist gerade diese Unbeholfenheit im schwarz-weißen Frack, die die Pinguine so liebenswürdig erscheinen lässt. Nach eineinhalb Stunden in ihrem Reich kehren wir wieder zurück in das Reich der Handels- und Schafsbarone.

No responses yet

Feb. 18 2008

Schafe, Guanakos und endlose Weiten- eine Fahrt durch Feuerland

Published by under Reisetagebuch

schafe-guanakos.JPGJose, der Gehilfe des Busfahrers, hievt meinen schweren Rucksack in den Gepäckraum des Überlandbusses, mit dem wir von Rio Grande nach Punta Arenas in Chile fahren wollen. Im Bus befinden sich hauptsächlich junge Familien und ältere Einzelreisende aus Chile und Argentinien. Jens und ich sind die einzigen Touristen. Wir werden aber kaum beachtet. Hier endlich finden wir ein wenig der Ursprünglichkeit Feuerlands, nach der wir so lange gesucht haben.

Es ist 9.30 Uhr. Der Bus soll um 17.00 Uhr in Punta Arenas ankommen. Für die nächsten acht Stunden wird er unser Zuhause sein. Ich nehme am Fenster Platz, der Busfahrer startet den Motor. Die Straßen und Häuser von Rio Grande ziehen an mir vorüber, und schon nach wenigen Minuten fahren wir über eine einsame Landstraße, die sich schnurgerade durch die Landschaft zieht. Die Gegend ist eintönig; endlos scheint die Steppe mit ihren gelblich braunen Gräsern. Nur hie und da unterbrechen ein paar Hügel die Ebene. An manchen Stellen wachsen niedrige Büsche. Alle höher wachsenden Pflanzen haben keine Chance gegen den ständigen Wind, der erbarmungslos über die Ebene peitscht.

Die Weite der Pampa hat einen beruhigenden Effekt auf mich. Es tut gut, die Sinne einfach mal zu Ruhe kommen zu lassen. Endlich einmal keine Informationen für Ohren, Augen…. – Ruhe für das Hirn.

Plötzlich sehe ich weiße Punkte am Horizont. Als wir näher kommen, erkenne ich, dass es Schafe sind – das Kapital der reichen Estancia-Besitzer. Es gibt hier unendlich viele dieser Paarhufer, wahrscheinlich mehrere Milliarden. Sie wurden von den ersten Siedlern hergebracht. Schafe sind robust, ertragen Kälte und Wind und geben sich mit dem rauen Steppengras zufrieden. Sie leben in fast völliger Freiheit bis zum Tage der Schur oder der Schlachtung. Dann werden sie zusammengetrieben von den Gauchos, den wahren Herrschern der Pampa. Vier Jahre geben die Schafe gute Wolle, dann werden sie geschlachtet. Das Fleisch schmeckt gut, denn es stammt von Tieren, die nie einen Stall kannten. Schafe bringen den Estancias viel Geld, die Herrenhäuser der Estancias können dies bezeugen. Immer wieder rauschen die weißen Wolleknäuel an meinen Augen vorbei.

Hin und wieder sieht man in der Ferne eine Estancia mit dem Gutsherrenhaus und den Häusern für die Arbeiter. Pferde grasen auf den Weiden um die Estancias. Es sind die Tiere der Gauchos, die Pferde der Pampa, die in der Weite der Steppe aufwuchsen und in deren Augen die Freiheit leuchtet. Wie gerne würde ich mit einem dieser Rösser über das Grasland jagen, ein bisschen Freiheit empfinden. Das Dröhnen des Motors erinnert jedoch mich daran, dass ich mich nicht auf dem Rücken eines Vierbeiners, sondern in einem Fahrzeug befinde. Es ist ruhig im Bus, Jens liest in seinem Buch, der ältere Herr mit dunkler faltiger Haut döst vor sich hin. Mein Blick richtet sich wieder aus dem Fenster auf die endlosen Weiten.

Ein paar braun-weiße Flecken erregen meine Aufmerksamkeit. Lange Hälse recken sich in die Höhe, als sich der Bus nähert. Es ist eine Gruppe von Guanakos. Guanakos gehören der gleichen Familie wie Lamas und Vizkunyas an. Ihr dickes flauschiges Fell ist am Rücken hellbraun, der Bauch ist weißlich gefärbt. Es ist der perfekte Mantel gegen den eisigen Wind Patagoniens. Guanakos sind im – Gegensatz zu den Schafen – in Patagonien heimisch. Da sie auch auf den Weiden der Estancias grasen, haben sie praktisch keine natürlichen Feinde mehr. Der Estancia-Besitzer sorgt dafür, dass sich kein Puma den Schafsweiden nähert. Die Guanakos haben deshalb auch keine Scheu vor den Menschen. Teilweise werden sie gejagt. Doch soll ihr Fleisch nicht so gut schmecken wie ein gutes saftiges Stück Schaf- oder Rindfleisch, erzählen mir die Einheimischen. Vielleicht können wir an unserem Zielort in Punta Arenas einmal Guanako-Fleisch probieren. Ich schaue auf die Uhr. Es ist 12.30 Uhr. Wir müssten bald die Grenze nach Chile passieren. An mir vorbei ziehen wieder die Flächen mit dem gelbgrauen Steppengras. Ich merke wie meine Augenlider langsam schwer werden……

 

In der Pampa Patagoniens werden selbst die Gedanken laut…..

Bruce Chatwin

2 responses so far

Feb. 12 2008

Ushuaia, die Stadt der Heimatlosen

Published by under Reisetagebuch

Bunte Häuser, manche so klein wie Geräteschuppen, schmiegen sich an die Hänge des Beagle-Kanals. Alles sieht ein wenig unorganisiert aus. Wir sind in Ushuaia, am Ende der Welt.

Ushuaia liegt im argentinischen Teil von Feuerland, direkt am Beagle-Kanal. Diese Wasserstraße verbindet den Atlantik mit dem Pazifik. Sie wurde nach dem Schiff benannt, mit dem Charles Darwin vor etwa 100 Jahren Südamerika bereiste. Feuerland hingegen erhielt seinen Namen von den vielen Feuern am Ufer. Diese waren von den dort lebenden Indianern entzündet worden, um ein wenig Wärme in ihr Leben zu bringen. Gegenüber von Ushuaia, auf der anderen Seite des Beagle-Kanals, sieht man die hohen Berge der Isla Navarina. Das ist der kaum besiedelte chilenische Teil von Feuerland. Das Bergpanorama ist bestechend schön. Immer wieder schweifen meine Blicke in die Ferne. Nie zuvor sah ich so hohe Berge, die direkt aus dem Meer steil aufragen.

Das Zentrum von Ushuaia besteht aus einer Haupt- und mehreren kleinen Querstraßen. Hier reihen sich Restaurants an Souvenirläden, Outdoorshops an Reisebüros. Immer wieder lese ich das Wort „Antarcica“. Denn Ushuaia gilt als das Tor zur Antarktis. Alle Kreuzfahrtschiffe mit dem Ziel Antarktis machen hier einen Zwischenstopp. Der Tourist findet in dieser Stadt alles, um seinem Traum vom Ende der Welt näher zu sein. Und es sind viele, die hierher reisen. Man trifft Menschen aus allen Nationen. Aber auch zahlreiche Menschen, die hier leben und arbeiten, kommen ursprünglich aus anderen Teilen Argentiniens. Es ist ziemlich schwierig, jemanden zu finden, der hier geboren wurde oder wenigstens schon länger als zehn Jahre hier lebt. Deshalb ist Ushuaia für mich auch die Stadt der Heimatlosen.

Alle Menschen, die ich in den Straßen von Ushuaia treffe, kamen hierher, um Urlaub zu machen oder um eine Saison lang hier zu arbeiten. Luis, ein Touristenguide, beispielsweise. Er berichtete uns, dass er seit fünf Jahren hier lebt. Er stammt aus Cordoba, einer Stadt in Nordargentinien. Und er kam nach Ushuaia, um in der Tourismusbranche zu arbeiten. Er erinnert sich, dass es vor fünf Jahren fast noch kein Haus mit Garten gab. Die Leute seien hier früher nur eine Saison geblieben, um in der Fischindustrie zu arbeiten. Für diese kurze Zeit lohnte es sich nicht, ein schönes Heim zu bauen. Man kaufte sich deshalb in der Regel ein billiges Fertighaus aus Kanada oder Finnland. Das sind einfache Holzhäuser. Die aus Finnland sind bunt angestrichen, die aus Kanada sehen mit ihrer graubraunen Farbe trostloser aus. Seit dem Touristenboom baut man allerdings nun auch hier schönere, größere Häuser. Die ersten Gärten wurden angelegt. Viele Leute bleiben jetzt ganzjährig hier. Die Stadt hat sich dadurch in den letzten Jahren stark vergrößert. Mit dem Bevölkerungswachstum stieg auch der Bedarf an Verwaltungsangestellten. Viele arbeiten jetzt neben ihrer Tätigkeit in der Tourismusbranche auch in der Verwaltung. Die „Heimatlosen“ haben eine neue Heimat am Ende der Welt gefunden.

 

Jeder hat ja so seine eigene Vorstellung vom Ende der Welt. Für die meisten jedoch bedeutet es Kälte, Wind und Pinguine. Es ist Mitte Januar, also Hochsommer in Ushuaia. Aber wir sind dennoch erstaunt über die Wärme hier: Denn auch im Hochsommer herrschen in Antarktisnähe eigentlich winterliche Temperaturen. Derzeit nicht. Ich frage mich, weshalb ich meine dicken Handschuhe und meine Mütze mitgenommen habe. Meine Vorstellungen vom kalten Ende der Welt bewahrheiten sich jedenfalls nicht. Vielleicht muss man in Zukunft wirklich in die Antarktis fahren, um ein bisschen das Gefühl vom unwirklichen kalten Weltende zu erhalten. Wind und Pinguine gibt es jedoch noch. Letztere können die Touristen in Ushuaia mit dem Boot aufsuchen. Im Hafen findet man eine Agentur neben der anderen. Sie alle bieten Bootsfahrten im Beagle-Kanal an. Es gibt hier für jeden das geeignete Programm. Eine Bootsfahrt mit einem großen Katamaran mit Halt an einer Pinguininsel etwa – für den bewegungsunfreudigen Pauschaltouristen oder den unter Zeitdruck stehenden US-Amerikaner oder Japaner. Es gibt jedoch auch etwas individuellere Touren. Wir entscheiden uns schließlich für eine Fahrt mit einem Segelboot in einer kleinen Gruppe zu zehn Personen zur Insel „H“. Auf der Fahrt dahin passiere man auch die Insel der Seehunde, heißt es und auf „H“ angekommen, könne man an Land gehen und zu einer Kormorankolonie wandern. Die Dame von der Agentur „Tres Marias“ versichert uns, dass dieses Angebot wirklich einmalig sei, da man in kleinen Gruppen unterwegs sei und nur ihre Agentur die Erlaubnis habe, auf der Insel „H“ an Land zu gehen. Da wir uns nicht als Pauschaltouristen betrachten und eher auf den Seitenstraßen des Tourismus reisen wollen, buchen wir diese Tour. Und wir werden nicht enttäuscht. Wir sehen Seehunde und Kormorane und spüren den Wind vom Ende der Welt in unseren Gesichtern.

Nach einem Besuch im Nationalpark von Feuerland verlassen auch wir zwei Tage später wieder Ushuaia, die Stadt der Heimatlosen. Fünf Tage lang war sie uns ein bisschen Heimat… Dennoch sind wir froh, weiterziehen zu können, da die vielen Touristen doch ein wenig die Vorstellung vom einsamen Ende der Welt beeinträchtigen.

3 responses so far

Feb. 12 2008

Internetverbindungen am Ende der Welt – die Entdeckung der Langsamkeit

Published by under Reisetagebuch

Am Ende der Welt gehen die Uhren anders. Langsamer. Dass Zeit tatsächlich relativ ist, wurde uns klar, als wir vor dem Computerbildschirm in einem Internetcafe in Patagonien saßen und eine E-Mail mit Anhängen versenden wollten. Dieser Vorgang zog sich ziemlich lange hin. Und es hat auch eine Weile gedauert, bis wir verstanden, dass dies nicht am E-Mail-Programm oder an der Größe der Bilder lag. Schuld sind die langen Leitungen hier. Die Computer und Bildschirme sehen eigentlich aus wie zu Hause, nur die Internetverbindungen sind unendlich langsam.

Für uns war es schon erstaunlich, dass man sich hier anscheinend nicht darüber ärgert. Wie schnell sind wir zu Hause in Deutschland genervt, wenn der Ladebalken am Computer einfach nicht voranschreitet. Auch wir waren anfangs verärgert, dass wir aus technischen Gründen unsere Internetseite nicht so pflegen können, wie wir es geplant hatten. Jetzt sehen wir das Ganze gelassener. Wir werden dennoch versuchen, immer mal wieder neue Fotos einzustellen. Wir hoffen, dass wir auch Euch Daheimgebliebenen ein wenig Gelassenheit vom Ende der Welt übermitteln können. Die Bilder und Neuigkeiten werden kommen, zwar langsam, aber sie werden kommen…versprochen…

One response so far

Next »