Archive for the 'Menschen' Category

Juli 14 2008

Ein brasilianisches Mittagessen

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Heitere Töne und der Rhythmus des Bossa Nova erfüllen die sonnendurchflutete Küche von Johannes und Glaene. Sie haben die Eltern von Glaene und uns zum Mittagessen eingeladen. Ich erwarte einen gedeckten Tisch mit Schüsseln, Töpfen und Tellern. Stattdessen stehen eine Bierflasche, ein paar Gläser und eine Schüssel mit Käsewürfeln auf dem Tisch.

Glaene hat ihre Gitarre in die Hand genommen. Ihre Finger greifen die Akkorde eines bekannten brasilianischen Bossa Nova. Ihre helle Stimme verführt zum Träumen. Sie bringt mich direkt an die Copacabana von Rio de Janeiro. Vor meinen Augen sehe ich den Zuckerhut. Leise summe ich die Melodie mit. Ich öffne die Augen und blicke in das lachende Gesicht von Leston, Glaenes Vater. Er wippt im Rhythmus des Bossa Novas, fängt an, zu singen. Seine tiefe Stimme kontrastiert wunderbar mit Glaenes Gesang. Johannes blickt konzentriert auf die Saiten seines Cavaquinhos, eine Art brasilianische Mandoline. Sein Klang erinnert mich an die Melodien aus Sorrent am Golf von Neapel in Italien. Neben mir klopft Jens den Rhythmus des Bossa Novas auf einem Rebollo, einem brasilianischem Perkussionsinstrument.

Ich wiege mich sanft im Rhythmus der Musik und vergesse, dass wir eigentlich zum Mittagessen eingeladen sind. Jens macht mich darauf aufmerksam, dass das Essen auf dem Herd steht. Hier in Brasilien esse jeder, wann er wolle. Ich solle mir einfach einen Teller nehmen und mir aus den Töpfen selbst schöpfen. Und so holt sich tatsächlich jeder zu unterschiedlichen Zeitpunkten sein Mittagessen. Nach einer Weile gesellt sich der Nachbar von Johannes und Glaene zu unserem musikalischen Mittagessen. Er nimmt die Gitarre in die Hand und gibt uns eine Kostprobe seiner neuesten Komposition. Mit schmerzverzerrtem Gesicht singt er von unerfüllter Liebe und Sehnsucht.

Wie unterschiedlich ist doch eine Einladung zum Essen in Brasilien im Gegensatz zu Deutschland. Alles ist ein wenig entspannter und flexibler. Beeindruckt hat mich auch die brasilianische Lebensfreude. Nie werde ich die strahlenden Augen von Leston vergessen als er die Melodie eines brasilianischen Liedes vor sich hin summte. Vielleicht würde ein bisschen brasilianische Lebensart die trüben Regentage in Deutschland etwas aufhellen…….

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Mai 13 2008

Einmal Brasilien und zurück nach Uruguay – oder wie man es schafft, an einem Tag neun Mal die Grenze zu überqueren

„Rivera Central de Omnibus“ … leise vernehme ich die Stimme des Busgehilfen, als wir in die Busstation von Rivera einbiegen. Er verkündet unser Reiseziel. Rivera ist eine Stadt in Uruguay. Sie befindet sich an der Grenze zu Brasilien. Die brasilianische Schwesterstadt heißt Santana do Livramento. Beide Ortschaften grenzen nicht nur direkt aneinander, die Grenze verläuft sogar mitten durch einen zentralen Platz, den sich beide Städte teilen. Die Bewohner Uruguays und Brasiliens überqueren täglich mehrmals diese Stadtgrenze. Es gibt hier keine Passkontrolle. Nur diejenigen, die vorhaben, länger nach Brasilien oder Uruguay zu gehen, müssen sich auf den Ämtern ihre Stempel abholen.

Da wir mit einem Reisepass reisen, müssen wir uns einen Ausreisestempel von Uruguay und einen Einreisestempel von Brasilien besorgen. Und wie praktisch hier doch alles organisiert ist: Der Reisende muss sich für den Ausreisestempel an das andere Ende von Rivera begeben und für den Einreisestempel nach Brasilien an das Stadtende von Santana do Livramento. Der schwere Rucksack drückt und meine Schultern schmerzen, als ich endlich nach einer langen Jagd durch Urugays und Brasiliens Ämter die beiden Stempel in meinem Reisepass vorfinde.

Wir haben vor, den Nachtbus nach Porto Alegre in Südbrasilien zu nehmen. Den Rest des Tages wollen wir im brasilianischen Stadtteil Santana do Livramento verbringen. Wir schlendern bis zum frühen Abend durch die Straßen dieser Stadt. Als wir an dem Platz, durch den die Grenze verläuft, ankommen, entscheiden wir uns spontan, doch noch einmal kurz ins Nachbarland zu gehen. Wir haben noch ein paar uruguayische Pesos übrig und möchten uns dort ein Bierchen gönnen. Langsam überqueren wir den Platz, und schon nach wenigen Metern befinden wir uns wieder in Uruguay. Die Schilder sind wieder auf Spanisch, man bezahlt wieder mit der hiesigen Landeswährung.

Diese Stadt ist wirklich verrückt, denke ich als wir die Hauptstraße von Rivera entlanggehen. Ein älteres Gebäude zu meiner rechten Seite erweckt meine Aufmerksamkeit. Ich bleibe stehen und schaue durch ein großes Portal. Am Ende eines langen Korridors sehe ich Billardtische und einige ältere Herren. Was das wohl für ein Ort sein mag, frage ich mich und schaue auf das matt glänzende goldene Schild neben dem Eingang. „Club Social de Uruguay“ steht dort in großen Buchstaben geschrieben. Hier wollen wir unser Bierchen genießen. Der Raum am Ende des langen Flures ist spärlich eingerichtet. In der Mitte stehen drei Billardtische. Auf der linken Seite befindet sich eine Bar. Neben den Spieltischen stehen ein paar alte Sessel, auf denen es sich einige Herren bequem gemacht haben. An zwei der Billardtische spielen zwei Männer alleine. Es ist nicht das Billard, das ich kenne. Anstatt der vielen bunten befinden sich jeweils nur drei Kugeln auf dem Tisch. Zudem hat der Tisch keine Löcher an den vier Ecken. In seiner Mitte stehen dafür vier kleine weiße Kegel, die mich an die Figuren aus „Mensch ärgere Dich nicht“ erinnern. Wir bestellen unser Bier und schauen interessiert den Spielern zu.

Es dauert nicht lange, bis uns ein freundlicher älterer Herr über das Spiel aufklärt: Es handele sich hier um eine besondere Variante des Poolspiels. Sie wird ihm zufolge in Europa vor allem in Italien gespielt. Im Club Social de Uruguay habe man schon immer diese Art des Pools gespielt, und gelegentlich gebe es Turniere mit der brasilianischen Nachbarstadt Santana. Leider interessieren sich aber kaum jungen Leute für die Aktivitäten des Clubs, beklagt er sich. Somit gebe es in der Zwischenzeit nur noch Herren älteren Jahrgangs, die sich hier auf diese Weise ihre Zeit vertreiben.

Wir erzählen ihm von unserer Reise, dass uns Uruguay sehr gefallen habe, dass wir jetzt jedoch weiter nach Südbrasilien gehen. Ich erwähne, dass ich eigentlich gerne eine Estancia in Uruguay besucht hätte, da für mich Uruguay einfach das Land der Gauchos und der Pferde sei. Daraufhin empfiehlt er uns, doch mit Jose zu sprechen. Er stehe dort drüben neben dem Billardtisch, und er sei nicht nur Besitzer einer Estancia, sondern obendrein auch passionierter Pferdezüchter.

Schon nach wenigen Minuten sind wir mit Jose im Gespräch. Er lädt uns ein, am nächsten Morgen mit ihm auf seine Estancia, die 60 Kilometer südlich liegt, zu fahren. Ich denke an unsere bereits gekaufte Fahrkarte für den Nachtbus um 23.00 Uhr, denke an unseren uruguayischen Ausreisestempel, schaue auf die Uhr – es ist 21.30 Uhr. Ich schaue Jens an, wir sind uns einig, dass wir alles versuchen werden, unser Busticket gegen ein Ticket am nächsten Tag zu verschieben. Und einen Vormittag ohne Einreisestempel in Uruguay wird schon niemand bemerken. Wir vereinbaren mit Jose, dass wir in einer halben Stunde zurück sind. Mit schnellen Schritten überqueren wir erneut die Grenze und eilen zur Busstation in Brasilien. Endlich einmal ist das Glück auf unserer Seite. Innerhalb von 20 Minuten schaffen wir es, unser Ticket zu tauschen und ein Hotel für die Nacht zu besorgen. Wieder überqueren wir die Grenze, um Jose im Club Social mitzuteilen, dass wir mit ihm am nächsten Morgen auf die Estancia fahren werden. Kurze Zeit später kehren wir zum Abendessen und Übernachten wieder nach Brasilien zurück. Der zentrale Platz ist für uns bereits ein vertrauter Anblick.

Früh am nächsten Morgen eilen wir wieder nach Uruguay, wo Jose vor den Club Social bereits auf uns wartet. Wir verbringen einen wunderschönen Vormittag mit ihm auf der Estancia. Auf der Fahrt dorthin werden wir glücklicherweise nicht von der Polizei kontrolliert. Auch die Rückfahrt verläuft problemlos. Jose bringt uns wieder direkt nach Brasilien an die Busstation. Wieder geht es über den zentralen Platz – dieses Mal im Auto. Ich muss schmunzeln, als ich daran denke, dass wir es geschafft haben, in 24 Stunden neun Mal die Grenze zwischen Uruguay und Brasilien zu überqueren.

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Jan. 04 2008

Neue Welten der Naturforscher

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Darwin_Humboldt_Route_sw Von neuen, unbekannten Dingen kann man lernen, durch sie werden neue Erkenntnisse gewonnen. Sie sind daher die Voraussetzung für die Weiterentwicklung des Individuums und der Menschheit. Nach dieser Prämisse lebten die Naturforscher und Entdecker dieser Welt.

Südamerika – die Neue Welt – übte auf diese einen ganz besonderen Reiz aus. So ist es nicht erstaunlich, dass viele von ihnen ihre Spuren auf diesem Kontinent hinterließen. Für viele großartige Entdeckungen und bedeutende Theorien bildete Südamerika den Grundstein. Charles Marie de la Condamine berechnete dort zum ersten Mal den Umfang der Erde am Äquator. Aus diesen Ergebnissen konnten erstmalig die Form und die Krümmungsradien der Erde bestimmt werden. Alexander von Humboldt betrieb in Südamerika wissenschaftliche Feldforschungen in den Bereichen Physik, Chemie, Geologie, Mineralogie, Vulkanologie, Botanik, Zoologie, Klimatologie, Ozeanografie und Astronomie. Er beschrieb erstmals die kühle Meeresströmung an der Pazifikküste Südamerikas, die auf das Klima des Kontinents einen entscheidenden Einfluss hat. Noch heute trägt diese Strömung – der so genannte Humboldt-Strom – seinen Namen. Darwin entwickelte hier seine Evolutionslehre. Sie basierte auf den Beobachtungen, die er während seiner Reise mit der Beagle unter Kapitän Fitz Roy machte. In meinen Augen ist dies eine der bedeutendsten Theorien der Erdgeschichte.

Die Evolutionstheorie faszinierte mich schon im Biologie-Leistungskurs in der Schule. Daraufhin las ich Darwins Reiseberichte, die mir zum ersten Mal den Kontinent Südamerika näher brachten. Von vielen Landstrichen und Städten, die wir jetzt besuchen werden, hörte ich damals zum ersten Mal. Und ich wurde neugierig, begann mich für diese fernen Länder zu interessieren. Tief in meinem Innern hatte ich die Hoffnung, einmal auf Darwins Spuren zu reisen. Seine Beobachtungen mit meinen eigenen Augen nachzuvollziehen. Alexander von Humboldt beeindruckt mich, weil er einer der letzten Universalgelehrten war. Seine umfassende Kenntnis der Naturphänomene, seine Beobachtungsgabe und sein humanistisches Denken sind meines Erachtens einmalig. Für mich ist er ein Vorbild im Hinblick auf rücksichtsvolles Reisen. Reisen hieß für ihn beobachten und beschreiben, nicht eingreifen und verändern wollen. Dabei blieb er immer bescheiden und respektvoll. Überheblichkeit war ihm fremd. Er erkannte, dass er nur mit Hilfe der Indianer Zugang zu den unglaublich reichhaltigen Naturschätzen erhalten konnte. Er kommunizierte mit den Einheimischen und nahm dankbar ihre Ratschläge auf. Auch ich möchte mit den Menschen sprechen und von ihnen lernen. Reisen erweitert den Geist, Reisen bildet. Alle großen Geister dieser Welt sind gereist. Ich bewundere diese Menschen und verschlinge deren Reiseberichte. Nach meinen Reisen auf den Spuren von Goethe in Italien und Stefan Zweig in Europa und Brasilien, darf ich nun auf den Spuren von Humboldt und Darwin Südamerika entdecken. Ein Traum wird wahr. Diese für mich neuen Welten werden mir neue Horizonte eröffnen und mich ungemein bereichern.

„Travelling is the best way of studying”

Zitat eines Australiers, der nach seiner Pensionierung gemeinsam mit seiner Frau mit dem Rucksack die Welt bereiste (Provence, 1996)

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