Archive for Mai, 2008

Mai 13 2008

Eine Fahrt durch Nordargentinien – Regenwald, Berge und Kakteen

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In Tucuman, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz im Nordwesten Argentiniens, klettern wir in den Bus nach Cafayate. Viereinhalb Stunden soll die Fahrt dauern, bis wir unseren Zielort erreichen. Cafayate befindet sich etwa 200 Kilometer nördlich von Tucuman. Es ist ein Weinort, der in einer Höhe von 1.800 Metern in den Anden von Nordargentinien liegt. Wir haben vor, dort einige Bodegas zu besuchen und Weine zu probieren.

Langsam setzt sich unser Bus in Bewegung. Es dauert nicht lange, bis wir die lebhaften bunten Straßen Tucumans hinter uns gelassen haben. Wir passieren weite Felder mit Zuckerrohr, die gelegentlich von Orangenplantagen unterbrochen werden. Hier, wo ein warmes und sonniges Klima herrscht, werden vor allem Zuckerrohr, Zitrusfrüchte und Tabak angebaut.

Nach einiger Zeit steigt die Straße langsam an, die Vegetation ändert sich. Schon bald befinden wir uns in einem tropischen Regenwald, der die Hänge der Berge bedeckt. Die Straße wird immer steiler und der Motor unseres Busses stetig lauter. Langsam quält sich unser Gefährt die steilen Serpentinen hinauf. Eine Stunde kutschiert es uns durch die mit Regenwald bedeckten Berglandschaften.

Dann wird die Pflanzenwelt langsam karger. Wir erreichen schließlich die Baumgrenze. Die Gegend erinnert nun stark an die Berglandschaft der Alpen oberhalb von 2.000 Metern Höhe. Nach rund einer halben Stunde Fahrt wandelt sie sich erneut. Die Graslandschaft wird abgelöst von Felsformationen sowie trockenen Geröll- und Sandwüsten. Ich muss an eine Mondlandschaft denken und frage mich, ob hier überhaupt irgendeine Pflanze wachsen kann. In der Ferne sehe ich plötzlich Figuren, die aussehen wie nach oben gestreckte Finger. Als wir näher kommen, sehe ich, dass es riesige Kakteen sind. Einige haben nur einen Trieb, der ganz gerade nach oben zeigt. Es sieht aus wie ein Phallussymbol. Andere haben mehrere Triebe – wie die bekannten Kakteen aus Mexiko. Es sind sogenannte Cardones, die Riesenkakteen der Anden. Es dauert 20 Jahre bis sie einen zweiten Trieb ausbilden. Somit sind die vielen Phallussymbole recht junge Kakteen, die das zwanzigste Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Jens und ich schauen uns begeistert an. Die karge Wüstengegend mit ihren Kakteen übt einen ganz besonderen Reiz auf uns aus, denn solch eine Landschaft haben wir vorher noch nie gesehen.

Nach weiteren zwei Stunden Fahrt erreichen wir schließlich den Weinort Cafayate. Er liegt mitten in dieser trockenen Umgebung. Die Vorstellung, dass hier Weine angebaut werden, fasziniert uns. Mit Spannung erwarten wir unsere erste Weinprobe in einer der Bodegas von Cafayate.

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Mai 13 2008

Einmal Brasilien und zurück nach Uruguay – oder wie man es schafft, an einem Tag neun Mal die Grenze zu überqueren

„Rivera Central de Omnibus“ … leise vernehme ich die Stimme des Busgehilfen, als wir in die Busstation von Rivera einbiegen. Er verkündet unser Reiseziel. Rivera ist eine Stadt in Uruguay. Sie befindet sich an der Grenze zu Brasilien. Die brasilianische Schwesterstadt heißt Santana do Livramento. Beide Ortschaften grenzen nicht nur direkt aneinander, die Grenze verläuft sogar mitten durch einen zentralen Platz, den sich beide Städte teilen. Die Bewohner Uruguays und Brasiliens überqueren täglich mehrmals diese Stadtgrenze. Es gibt hier keine Passkontrolle. Nur diejenigen, die vorhaben, länger nach Brasilien oder Uruguay zu gehen, müssen sich auf den Ämtern ihre Stempel abholen.

Da wir mit einem Reisepass reisen, müssen wir uns einen Ausreisestempel von Uruguay und einen Einreisestempel von Brasilien besorgen. Und wie praktisch hier doch alles organisiert ist: Der Reisende muss sich für den Ausreisestempel an das andere Ende von Rivera begeben und für den Einreisestempel nach Brasilien an das Stadtende von Santana do Livramento. Der schwere Rucksack drückt und meine Schultern schmerzen, als ich endlich nach einer langen Jagd durch Urugays und Brasiliens Ämter die beiden Stempel in meinem Reisepass vorfinde.

Wir haben vor, den Nachtbus nach Porto Alegre in Südbrasilien zu nehmen. Den Rest des Tages wollen wir im brasilianischen Stadtteil Santana do Livramento verbringen. Wir schlendern bis zum frühen Abend durch die Straßen dieser Stadt. Als wir an dem Platz, durch den die Grenze verläuft, ankommen, entscheiden wir uns spontan, doch noch einmal kurz ins Nachbarland zu gehen. Wir haben noch ein paar uruguayische Pesos übrig und möchten uns dort ein Bierchen gönnen. Langsam überqueren wir den Platz, und schon nach wenigen Metern befinden wir uns wieder in Uruguay. Die Schilder sind wieder auf Spanisch, man bezahlt wieder mit der hiesigen Landeswährung.

Diese Stadt ist wirklich verrückt, denke ich als wir die Hauptstraße von Rivera entlanggehen. Ein älteres Gebäude zu meiner rechten Seite erweckt meine Aufmerksamkeit. Ich bleibe stehen und schaue durch ein großes Portal. Am Ende eines langen Korridors sehe ich Billardtische und einige ältere Herren. Was das wohl für ein Ort sein mag, frage ich mich und schaue auf das matt glänzende goldene Schild neben dem Eingang. „Club Social de Uruguay“ steht dort in großen Buchstaben geschrieben. Hier wollen wir unser Bierchen genießen. Der Raum am Ende des langen Flures ist spärlich eingerichtet. In der Mitte stehen drei Billardtische. Auf der linken Seite befindet sich eine Bar. Neben den Spieltischen stehen ein paar alte Sessel, auf denen es sich einige Herren bequem gemacht haben. An zwei der Billardtische spielen zwei Männer alleine. Es ist nicht das Billard, das ich kenne. Anstatt der vielen bunten befinden sich jeweils nur drei Kugeln auf dem Tisch. Zudem hat der Tisch keine Löcher an den vier Ecken. In seiner Mitte stehen dafür vier kleine weiße Kegel, die mich an die Figuren aus „Mensch ärgere Dich nicht“ erinnern. Wir bestellen unser Bier und schauen interessiert den Spielern zu.

Es dauert nicht lange, bis uns ein freundlicher älterer Herr über das Spiel aufklärt: Es handele sich hier um eine besondere Variante des Poolspiels. Sie wird ihm zufolge in Europa vor allem in Italien gespielt. Im Club Social de Uruguay habe man schon immer diese Art des Pools gespielt, und gelegentlich gebe es Turniere mit der brasilianischen Nachbarstadt Santana. Leider interessieren sich aber kaum jungen Leute für die Aktivitäten des Clubs, beklagt er sich. Somit gebe es in der Zwischenzeit nur noch Herren älteren Jahrgangs, die sich hier auf diese Weise ihre Zeit vertreiben.

Wir erzählen ihm von unserer Reise, dass uns Uruguay sehr gefallen habe, dass wir jetzt jedoch weiter nach Südbrasilien gehen. Ich erwähne, dass ich eigentlich gerne eine Estancia in Uruguay besucht hätte, da für mich Uruguay einfach das Land der Gauchos und der Pferde sei. Daraufhin empfiehlt er uns, doch mit Jose zu sprechen. Er stehe dort drüben neben dem Billardtisch, und er sei nicht nur Besitzer einer Estancia, sondern obendrein auch passionierter Pferdezüchter.

Schon nach wenigen Minuten sind wir mit Jose im Gespräch. Er lädt uns ein, am nächsten Morgen mit ihm auf seine Estancia, die 60 Kilometer südlich liegt, zu fahren. Ich denke an unsere bereits gekaufte Fahrkarte für den Nachtbus um 23.00 Uhr, denke an unseren uruguayischen Ausreisestempel, schaue auf die Uhr – es ist 21.30 Uhr. Ich schaue Jens an, wir sind uns einig, dass wir alles versuchen werden, unser Busticket gegen ein Ticket am nächsten Tag zu verschieben. Und einen Vormittag ohne Einreisestempel in Uruguay wird schon niemand bemerken. Wir vereinbaren mit Jose, dass wir in einer halben Stunde zurück sind. Mit schnellen Schritten überqueren wir erneut die Grenze und eilen zur Busstation in Brasilien. Endlich einmal ist das Glück auf unserer Seite. Innerhalb von 20 Minuten schaffen wir es, unser Ticket zu tauschen und ein Hotel für die Nacht zu besorgen. Wieder überqueren wir die Grenze, um Jose im Club Social mitzuteilen, dass wir mit ihm am nächsten Morgen auf die Estancia fahren werden. Kurze Zeit später kehren wir zum Abendessen und Ãœbernachten wieder nach Brasilien zurück. Der zentrale Platz ist für uns bereits ein vertrauter Anblick.

Früh am nächsten Morgen eilen wir wieder nach Uruguay, wo Jose vor den Club Social bereits auf uns wartet. Wir verbringen einen wunderschönen Vormittag mit ihm auf der Estancia. Auf der Fahrt dorthin werden wir glücklicherweise nicht von der Polizei kontrolliert. Auch die Rückfahrt verläuft problemlos. Jose bringt uns wieder direkt nach Brasilien an die Busstation. Wieder geht es über den zentralen Platz – dieses Mal im Auto. Ich muss schmunzeln, als ich daran denke, dass wir es geschafft haben, in 24 Stunden neun Mal die Grenze zwischen Uruguay und Brasilien zu überqueren.

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