Archive for März, 2008

März 16 2008

Lebenszeichen aus der Einsamkeit – Carreterra Austral in Chile

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Ja es stimmt, schon viel zu lange haben wir uns nicht mehr gemeldet. Wir haben die letzten zwei Wochen in einer der einsamsten Gegenden der Erde verbracht. Wir haben auf der Carreterra Austral in Chile, der südlichen Straße, unsere Spuren hinterlassen.

Die Carreterra Austral, eine Schotterpiste, wurde Anfang der 80er Jahre gebaut. Ihr letztes Teilstück bis nach Villa O¨Higgins wurde erst 1999 fertig gestellt. Sie verbindet kleine Dörfer, in denen die sich im vorletzten Jahrhundert angesiedelten Kolonisten leben. Lange Zeit waren diese Ortschaften völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Es dauerte früher mehrere Wochen bis man per Pferd in das nächste Dorf gelangte. Die Menschen, die in diesen Dörfern wohnen, lernten im Laufe der Zeit autark zu leben. Sie ernährten sich vor allem von Rind- und Schaffleisch sowie Brot. Gemüse und Früchte gab es nur im Sommer. Auch heute noch leben diese Menschen in einfachen Verhältnissen. Auffällig ist, dass es wenig soziale Unterschiede gibt. Die Häuser sind alle gleich groß, alle leben den gleichen Lebensstandard.

Wir haben zwei phantastische Wochen in diesen Dörfern verbracht. Die Menschen sind sehr freundlich, wenn auch manchmal etwas wortkarg. Und die Landschaft und der Sternenhimmel sind einfach unbeschreiblich. Ich habe die Ruhe so sehr genossen, dass ich jetzt den Lärm der Autos kaum mehr ertragen kann. In dieser Einsamkeit kann man viel nachdenken, hat Zeit für ein Gespräch, für ein Buch, für einen Sonnenaufgang. Die Sinne öffnen sich wieder für die einfachen Dinge im Leben.

Ich muss auch zugeben, dass ich es sehr genossen habe, mal keinen Computer zu haben. Ab jetzt sind wir wieder in der Zivilisation, in der hektischen Welt des Konsums, des Straßenverkehrs, der Computer, der Mobiltelefone und des Lärms. Es ist schwer, sich wieder daran zu gewöhnen. Aber ab jetzt kommen wieder regelmäßig Artikel und Bilder rein – versprochen.

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März 16 2008

Rotalgenpest – eine Gefahr für Muschelliebhaber

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rotalgenpest.JPGWir wandern auf dem schönen Küstenweg im Nationalpark von Feuerland. Immer wieder gelangen wir an einsame Buchten mit Kiesstränden. Riesige rotbraune Felsen säumen die Buchten. Es ist Ebbe, das Wasser hat sich zurückgezogen und gibt die Geheimnisse des Meeres preis. Die Felsen sind übersäht mit Miesmuscheln. Schwarze Schalen stehen aneinandergereiht auf dem Felsen.

Jens zieht sein Taschenmesser, murmelt etwas von „früher in Achieta habe ich mit dem Meer gelebt“. Ich kann gar nicht so schnell aufschauen, da hat er bereits mit dem Taschenmesser eine Muschel vom Fels gelöst. Ich sehe die Klinge blitzen, sie trennt die beiden Muschelhälften. Jens Mund nähert sich dem schleimigen orange-braun schimmernden Muschelfleisch. Ich höre ein schlürfendes Geräusch. Jens schaut mich triumphierend an und meint zufrieden: „Fast wie früher in Anchieta“. Ich schaue entsetzt in sein Gesicht, denke an meine Muschelvergiftung auf Sizilien. Ich kann einfach nicht glauben, dass er gerade eine rohe Muschel verzehrt hat. Ich kläre ihn auf über die Gefahren von Miesmuscheln, über die Möglichkeit, dass er eine schlechte, verdorbene erwischt hat. Ich glaube, er nimmt mich nicht ernst, denn zehn Minuten später meint er schmunzelnd: „Mir wird ganz komisch“. Ich schreie ihn an, sage ihm dass damit nicht zu spaßen sei.

Ein paar Tage spaeter sind wir in Punta Arenas an der Magellanstraße in Südchile. Wir wollen auf der Isla Magdalena eine Pinguinkolonie besuchen (wir berichteten). Die Motoren des Bootes, mit dem wir zur Pinguininsel fahren, heulen laut vor sich hin. Luis unser Führer erzählt uns seit zwei Stunden von Flora und Fauna der Küsten von Patagonien. Ich höre das Wort Rotalgenpest und vernehme, dass im Moment an der Küste von Punta Arenas keine Muscheln und Meeresfrüchte gefangen werden dürfen. Als wir am Bootssteg anlegen, deutet uns Luis an, dass wir ihm folgen sollen. Er geht hinunter zum Strand, der von braunen Felsen eingerahmt ist. Wie in Feuerland sind die Felsen auch hier mit dichten Teppichen aus schwarzen Miesmuscheln bedeckt. Plötzlich zieht Luis sein Messer aus der Tasche. Er schneidet eine Muschel vom Felsen. Die silbergraue Klinge blinkt im Licht der Mittagssonne. Luis öffnet langsam die Muschel und holt das Muschelfleisch heraus. Mir ist als hätte ich „Déjà-vu“. Will Luis uns jetzt zeigen, wie man rohe Muscheln isst? Ich schaue zu Jens. Er ist gerade dabei sein Taschenmesser aus der Tasche zu ziehen. Er möchte es Luis nachtun, ihm zeigen, dass auch er immer auf diese Weise Muscheln isst. „Wenn Du das jetzt isst, bist Du in 30 Minuten tot“ meint Luis und zeigt auf das Muschelfleisch. Jens und ich schauen uns entsetzt an. Jens’ Hand wandert von der Tasche entsetzt ins Gesicht. Was wäre nur geschehen, wenn auch in Feuerland eine Rotalgenpest gewesen wäre? Luis erklärt, dass die Rotalge selbst nicht giftig ist, jedoch den Stoffwechsel der Meeresfrüchte veranlasst, ein für den Menschen hochtoxisches Nervengift zu produzieren. Zu Beginn merkt man ein taubes Gefühl an der Zungenspitze, dann tritt eine Gesichtslähmung auf, schließlich stirbt man an einer Atemlähmung.

Man sieht es der Muschel nicht an, ob sie von der Rotalge befallen ist. Der Staat untersucht deshalb alle Meeresfrüchte vor dem Verkauf auf das Toxin der Rotalge. Luis meint jedoch, dass es immer wieder Fischer gebe, die trotz Fangverbote Meeresfrüchte fischen und dann über illegale Verkaufswege versuchen, diese zu verkaufen. Seriöse Fischhändler und Restaurants seien jedoch sicher. Jens stimmt mir zu, dass es vielleicht doch besser ist, nicht alles zu verzehren, was man auf Reisewegen antrifft. Wir sind beide erleichtert, dass die Muschel auf Feuerland keinen Rotalgenbefall aufwies. Und ich bin froh, dass mir Muscheln überhaupt nicht schmecken.

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März 15 2008

Punta Arenas – die Stadt der Handels- und der Schafsbarone

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puenta-arenas.JPGEs herrscht ein geschäftiges Treiben in den Straßen von Punta Arenas, einer Stadt in Südchile. Sie liegt direkt an der Magellanstrasse, die den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Neben den an ihrer Treckingkleidung gut erkennbaren Touristen bevölkern Bank- und Verwaltungsangestellte in Anzügen sowie Frauen mit Kindern die Innenstadt. Es ist 17.00 Uhr als wir ankommen. Sofort spürt man im Gegensatz zu Ushuaia in Argentinien, dass hier die Menschen nicht nur vom Tourismus leben. Punta Arenas ist eine Stadt, die Zeit hatte sich zu entfalten, eine eigene Infrastruktur aufzubauen, ein eigenes Gesicht zu entwickeln. Vor dem Bau des Panamakanals war Punta Arenas ein wichtiger Handelshafen. Alle Waren, die zwischen dem Atlantik und dem Pazifik hin- und hertransportiert wurden, passierten Punta Arenas. Noch heute zeugen die Villen, die den Hauptplatz umsäumen, vom ehemaligen Reichtum der Stadt.

Die wohlhabendste und einflussreichste Familie der Stadt war die Familie Jose-Menendez Braun. Jose Menendez, ein Spanier, gründete mit dem Russen Elias Braun ein Handelsunternehmen in Punta Arenas. Die Tochter von Elias Braun heiratete später Jose Nogeira – einen Portugiesen, der es mit dem Verkauf von Seehundfellen und Leder zu einem bedeutenden Vermögen gebracht hatte. Durch diese Ehe entstand ein Handelsimperium in Patagonien, das der Familie ein riesiges Vermögen einbrachte. Die Nachkommen der Familie Menendez-Braun sind heute noch die Eigentümer der größten und bedeutendsten Estancias in Patagonien und Feuerland. Heute offerieren sie reichen Touristen luxuriöse Estancia-Aufenthalte.

Wir schlendern durch den städtischen Friedhof von Punta Arenas. Riesige Mausoleen bestätigen erneut den Wohlstand der Einwohner. Auf vielen Grabsteinen stehen kroatische Namen. Denn die Stadt war ein bevorzugtes Ziel für Einwanderer aus Kroatien. Auch heute noch gibt es ein kroatisches Viertel, das mir mit seinen im europäischen Stil eingerichteten Cafés ein Gefühl der Vertrautheit gibt. Endlich kann ich mal wieder einen Cappuccino trinken – in Chile bekommt man sonst nur löslichen Kaffee. Auch die köstlichen Kuchen lassen heimatliche Gefühle in mir aufkommen.

Es ist noch früh am Morgen als wir zu einer Bootsfahrt zur Isla Magdalena in der Magellanstraße aufbrechen. Wir wollen eine riesige Kolonie von Magellan-Pinguinen besuchen. 170.000 dieser Seevögel kommen jedes Jahr hierher. Sie ziehen hier ihre Jungen auf. Schon von weitem sehen wir zahlreiche kleine schwarz-weiße Punkte. Und je näher wir kommen, umso lauter wird es. Ich komme mir vor wie in einem riesigen Fußballstadium, so gewaltig ist die Geräuschkulisse, die die Tiere mit ihren Schreien erzeugen. Das Boot legt an einem Steg an, und wir treten ein in das Reich der Pinguine. Es gibt einen kleinen Pfad hinauf zum Leuchtturm. Er führt mitten durch die Pinguinkolonie. Doch die Vögel beachten uns kaum. Wie seriös sehen sie aus in ihrem schwarz-weißen Frack. Magellan-Pinguine haben im Gegensatz zu den Königspinguinen der Antarktis keine orangefarbenen Streifen am Kopf. Sie sind zudem etwas kleiner. Der Grund: Größere Volumina kühlen langsamer aus als kleinere. Daher sind die Pinguine der Antarktis am größten, und je näher man dem Äquator kommt, umso kleiner werden sie. Pinguin-Paare bleiben sich ein Leben lang treu. Wie schön, dass es noch glückliche Paare fürs Leben gibt! Vielleicht werde ich im nächsten Leben ein Pinguin?

Ich beobachte neugierig das Familienleben der befrackten Gesellen. Jedes Paar hat ein oder zwei Junge. Die Jungtiere haben noch keinen Frack. Sie tragen einen hellgrauen Flaummantel und sind bereits so groß wie ihre Eltern. In einem Monat werden sie die Insel verlassen. Links von mir schnäbelt ein Pärchen zärtlich miteinander. Rechts zupft eine Mutter liebevoll am Flaum ihres Kindes. Weiter vorne steht ein Vater, der den Hals streckt und laute Schreie von sich gibt. Und ein paar Schritte weiter sehe ich ein Pärchen beim Liebesspiel. Am Strand hat sich eine Gruppe von Jungtieren zusammengefunden, die bereits erste Ausflüge alleine unternehmen. Ein erwachsenes Tier scheint ihr Aufseher zu sein. Immer wieder zwingt es die Jungen mit ein paar Schnabelhieben zur Ordnung. Irgendwie machen die Pinguine schon einen sehr menschlichen Eindruck auf mich. Häufig muss ich stehenbleiben, um einen Pinguin den Pfad passieren zu lassen- sie haben hier einfach Vorfahrt. Ihr Gang wirkt tollpatschig. Ich muss schmunzeln. Es ist gerade diese Unbeholfenheit im schwarz-weißen Frack, die die Pinguine so liebenswürdig erscheinen lässt. Nach eineinhalb Stunden in ihrem Reich kehren wir wieder zurück in das Reich der Handels- und Schafsbarone.

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